02.02.2025
Worte aus der Kirche zum 02.02.2025
Jede und jeder, der schon mal in einem Garten tätig war kennt die Situation: kaum scheint die Sonne und es regnet ein paar Tage dazu, schon wachsen nicht nur die gewünschten Pflanzen und Blumen, sondern vor allem auch das Unkraut. Meist hilft nur regelmäßiges jäten und zupfen, die unliebsamen Pflanzen loszuwerden.
Im Gleichnis vom Unkraut im Weizen (Matthäus 13, 24-30) befiehlt der Herr seinen Knechten, dass Unkrautwachsen zu lassen. Erst bei der Ernte soll Unkraut vom Weizen getrennt werden. Hier ist die Rede vom giftigen Lolch. Dieses Tollkraut verbindet sich schon in der Erde mit den Wurzeln des Weizens und man würde beim Jäten des Unkrauts eben auch den Weizen mit ausreißen. Wenn man das weiß, gewinnt das Gleichnis an Aktualität. So ist das mit dem Bösen, das dem Guten zum Verwechseln ähnlich ist. Ich habe schlechte Erfahrungen mit Menschen gemacht, die ich zunächst für vertrauenswürdig hielt. Sollte man nun am besten alle Menschen meiden, damit einen wirklich niemand übers Ohr hauen kann? Und damit man nicht enttäuscht wird? Viele Wahlplakate sprechen gerade genau diese Sprache. Sie kategorisieren Menschen in Gut und Böse. Ich bin entsetzt, dass in einem demokratischen Staat, ganz unverhohlen wieder Hassparolen an den Wänden kleben dürfen. Die Bibel lehrt: Wer das Unkraut mit Stumpf und Stiel ausrotten will, der schadet auch dem Weizen. Weil das Gute vom Bösen in unserer Welt eben nicht strikt getrennt ist. Weil das Böse dem Guten zum Verwechseln ähnlichsieht. Wir müssen mit dieser Unübersichtlichkeit leben, auch wenn das manchmal richtig schwerfällt. Wer absolute Trennung des Bösen vom Guten will, der läuft Gefahr, nur neues Unheil anzurichten. Für ein nachhaltiges Leben ist es sinnvoller, gemeinsam den Garten zu jäten, als Gift zu spritzen.
Es ist nicht unsere Aufgabe, über Gut und Böse zu richten. Denn immer, wenn Menschen sich anmaßen, Herkunft, Religion oder Überzeugung über andere zu setzen, geschieht etwas schlimmes. Dann werden andere Menschen oder andere Kulturen zu „Minderwertigen“ zu „Untermenschen“ zu „Unkraut“ erklärt, dass vernichtet werden muss. Davor müssen wir uns hüten.
Halten Sie mich ruhig für naiv: Ich nenne es Gottvertrauen. Das Gute, das Leben setzt sich durch. Zum Schluss wird Gott scheiden und unterscheiden zwischen Gut und Böse. Es ist nicht unsere Aufgabe zu richten. Lasst beides wachsen bis zur Ernte. Viel Geduld und Gottvertrauen gehören dazu, Gottes Urteil nicht vorzugreifen. Aber uns bleibt keine andere Wahl. Geduld vermag mehr als Gewalt.
Rebekka Prozell, Pfarrerin in Jerichow