02.06.2024
„Worte aus der Kirche“ für den 02.06.24

Vor 100  Jahren, am 3. Juni 1924, starb der begnadete Schriftsteller Franz Kafka im Alter von nur 41 Jahren. Ein aktueller Kinofilm „Die Herrlichkeit des Lebens“ und eine Mini-Serie reflektieren seine besondere Persönlichkeit.

Franz Kafka wurde in Prag geboren und war der Sohn in einer jüdischen Familie. Tagsüber arbeitete er als Angestellter einer Versicherung und nachts schrieb er. Kafka gehört zur Pflichtlektüre in der Schule und strahlt bis heute eine besondere Faszination aus.  Hervorgehoben seien „Der Prozess“, „Die Verwandlung.“

Kafka schreibt gleichnishaft. Er reflektiert das  Geworfen sein des Menschen in die Welt – und die Ausweglosigkeit des Lebens. Hat Kafka wirklich recht? Sind wir nichts anderes als die Erben derer vor unserer Zeit? Gibt es ein Entkommen aus den Käfigen, die uns schon vor unserer Geburt erbaut wurden?

In seiner Parabel „Vor dem Gesetz“ beschreibt Kafka  einen Mann vom Land, der zur Tür des Gesetzes kommt und hineingelassen werden will. Davor steht jedoch ein Türhüter, der ihn nicht einlässt. Alle Mühen dieses Mannes scheitern. So verbringt er sein ganzes Leben vor der Tür des Gesetzes. Bevor er stirbt, fragt er den Türhüter, warum außer ihm selbst niemand sonst bei dieser Tür anklopfe, das Gesetz sei doch für alle da. Der Türhüter brüllt den fast taubgewordenen Mann an: „Hier konnte niemand sonst Einlass erhalten, denn dieser Eingang war nur für dich bestimmt. Ich gehe jetzt und schließe ihn.“

Es gibt viele solcher Türhüter, die mich daran hindern, zu der meiner Bestimmung zu finden. Gesellschaftliche Konventionen, Arbeitgeber, vermeintliche und tatsächliche Zwänge. Und der größte Türhüter: Die Frage, was denken die anderen über mich?  Ich kann mir auch selbst im Weg stehen. Falsche Rücksichtnahme, Angst und Feigheit hindern mich daran, die Tür zu öffnen. Abert auch Egoismus kann ein Grund sein, warum mir die Tür zu meiner Bestimmung verwehrt bleibt. Es geht darum, sich von all diesen Kräften innerlich zu lösen und die je eigene Identität zu gewinnen.

Kafka schreibt: „Verbringe die Zeit nicht mit der Suche nach einem Hindernis. Vielleicht ist keines da.“ Er selbst fand oft Hindernisse – auch da, wo keine waren. Ein genialer Schriftsteller, der das Leben treffend beschreibt und selbst nur wenig wagt.

In der Bibel heißt es, Gott den Menschen nach seinem Bilde. Allzu oft unkenntlich gemacht durch Fremdbestimmung, durch Angst vor dem eigenen Leben, durch Schuld, eben: durch die Türhüter im Sinne Kafkas. Im Glauben kann ich diese Kräfte überwinden. Jesus Christus hilft, die Barrieren meines Lebens. Er lebte nach seiner Bestimmung; er litt unter denen, die dieses Vorbild verhindern wollten. In seiner Auferstehung liegt die Kraft, mit der die Türhüter überwunden werden können. Darauf vertraue und hoffe ich.

Mutig dürfen wir unseren Lebensweg beschreiten. Mit Jeus an der Seite, getragen vom Geist, beflügelt von der Liebe Gottes.

Pfarrerin Rebekka Prozell aus Jerichow