14.07.2024
Woran hängt mein Herz?

Woran hängt mein Herz? Am Sport mit dem EM-Finale an diesem Wochenende? An Tennis in Wimbledon, der Tour de France oder Olympia in Paris? An Familie, Besitz, Geld oder der eigenen Nation?

Jesus sagt in der Bergpredigt: „Niemand kann zwei Herren dienen: entweder er wird den einen hassen und den andern lieben, oder wird an dem eine hängen und den andern verachten.“ (Mt 6,24a)

Diese Worte fühlen sich überraschend modern und überraschen einfach an. Entweder – Oder! Schwarz oder Weiß! Ich oder Du! Einfach, aber auch erschreckend populistisch, ja, geradezu fundamentalistisch. Eine Einladung zu Machtmissbrauch, Engstirnigkeit und Egoismus. Wer nicht für mich ist, ist gegen mich! Es wird schnell „Totalopposition“ oder „Blockadepolitik“ daraus. Auch in meiner Haltung meinen Mitmenschen gegenüber. „Mit solchen Leuten redet man nicht!“. Oder denken wir an  Wahlergebnisse. Entweder „die“ oder „wir“! Und jeder sog. „Protest-Wähler“ sollte sich erst mal fragen, ob es überhaupt abweichende Ideen oder Programme gibt. Und ein Wort, das ich in diesem Zusammenhang überhaupt nicht mag, ist das Wort „alternativlos“. Wir haben immer die Wahl! Es geht immer um Argumente und nicht um „ewige Wahrheiten“. Eine Meinung ist zunächst mal nur eine Meinung. Und wer eine Meinung äußert, muss in einer demokratischen Diskussion immer damit rechnen, dass ihm widersprochen wird. Das ist Demokratie! Gegenargumente müssen toleriert werden. Das gilt im Zwischenmenschlichen, im Staat und auch in der Kirche. Und selbst das Glaubensbekenntnis muss sich immer wieder neu von der Bibel befragen lassen. „Wie ist es mit der Allmacht? Wie ist es mit der Auferstehung? Wirkt der Heilige Geist nur in der Kirche?“ Was glaube ich und woran hängt mein Herz?

„Niemand kann zwei Herren dienen: entweder er wird den einen hassen und den andern lieben, oder wird an dem eine hängen und den andern verachten.“ (Mt 6,24a)

Diesen Ton schlagen auch gerne diejenigen an, die auf dumpfen Nationalismus statt Vernunft setzen. Warum ist die eine Nation besser als die andere? Die Antwort ist überraschend einfach, sie ist es nicht. Wer auf Abschottung und Isolation setzt, macht sein Volk klein. Kultur, neue Ideen und Sichtweisen können nur dann gedeihen, wenn sie sich durch andere Kulturen, Ideen und Sichtweisen inspirieren lasse. Kein Goethe ohne Shakespeare. Kein Bach ohne Luther.

Deshalb halte ich mich an ein Wort aus dem Epheserbrief: "So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen." (Eph 2,19). Der Glaube an Jesus Christus macht aus Fremden Freunde. Das Trennende und die Angst vor dem Unbekannten wird überwunden. Und die Frucht dieses versöhnenden Glaubens ist der respektvolle Umgang mit meinen Mitmenschen.

Pfarrer Stefan Kemper-Kohlhase aus Kläden