18.10.2023
„Es ist Dir gesagt Mensch…“
Ich liebe sie, so pädagogisch wertvolle Sätze, wie: „Mensch, hab ich’s Dir nicht gesagt?“ Da schwingt dann mit: „Aber du hörst ja nicht!“. Oder: „War blöd, merkste selbst?“
Das biblische Motto für diese Woche kommt markig daher. “Es ist dir gesagt
Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert; nämlich Gottes Wort
halten und Liebe üben und demütig sein vor Deinem Gott.“
„Gottes Gebote“ halten, eine Lebensaufgabe mit eher bescheidener Erfolgs-
quote. Dann „Liebe üben“, wo es doch auch in unserer Kirche so menschelt.
Von „Demut“ wollen wir lieber gar nicht erst reden. Also eine Dienstanweisung
aus lauter Unmöglichkeiten. Die christlichen Kirchen sind gerade sehr heraus
gefordert in unserem Land: wie und wo beziehen wir angemessen Stellung
angesichts der drängenden Zeitfragen. Pro und Contra beim Thema
Zuwanderung, Krieg in der Ukraine oder im Nahen Osten, Klimawandel und
Bewahrung der Schöpfung, der Rechtsruck in unserer Gesellschaft, die
Verrohung des Miteinanders, der wachsende Antisemitismus. Menschen, die
hier klar Position beziehen, ob Politiker oder kirchliche Mitarbeiter, werden
schnell zur Zielscheibe medialer Beschimpfung. „Nächstenliebe verlangt
Klarheit!“, so das Motto unserer Kirche gegen Rechtsextremismus. Wer sich in
dieser Weise positioniert, ist für manch anderen unbequem.
Wenn ich den Propheten Micha richtig verstanden habe, dann geht es ihm nicht um schlichte
Gottgefälligkeit! Sein Auftrag ist es, denen Unheil anzusagen, die bewusst das
Gegenteil von Gottes Gesetz leben und sein Wort missachten. Also ist für uns
Christen die besondere Herausforderung, auf der richtigen Seite zu stehen. Von
Jesus wissen wir, wo unser Platz ist: bei den Schwachen und Schutzbedürftigen,
den Ausgegrenzten zuerst und nicht bei den Demokratiefeinden und
Hasspredigern.
Es darf uns dabei entlasten, dass auch der Prophet Micha etwas vom Scheitern
menschlicher Vorsätze und Bemühungen zu wissen scheint und dass er Gott als
menschen- und fehlerfreundlichen Herrn predigt. Nein, Christen sind nicht
automatisch die besseren Menschen, aber sie sollten wissen, worauf es im Leben
wirklich ankommt. Zwischen Gottes Anspruch und Zuspruch; zwischen „es ist
dir gesagt Mensch, was der Herr von dir fordert“ und „Wo ist solch ein Gott,
wie du bist?“. So sagt es der Prophet Micha an anderer Stelle,“ der die Sünde
vergibt und erlässt Schuld, der an seinem Zorn nicht festhält, denn er ist ein
barmherziger Gott!“ (Micha 7,18)
Autor: Michael Kleemann, Superintendent