26.04.2023
„Der Anfang ist nah!“
„Der Anfang ist nah!“ Diesen Satz las ich neulich auf einem Schaufensterschild. Er hat mich nachdenklich gemacht. „Der Anfang ist nah!“ Solche Worte in einer Zeit, in der die Welt gerade aus den Fugen zu geraten scheint? Wohin man hört und sieht herrscht Weltuntergangsstimmung.
Der Anfang ist nah!“ Ja - einen Neuanfang. Wer wünscht sich das nicht - gerade in diesen Zeiten. Und mir geht ein Gedicht von Hermann Hesse im Kopf herum: „Stufen“. Darin heißt es, dass jedem Anfang ein Zauber innewohnt. Ich erinnere mich noch an so manchen Anfang: Die erste große Liebe. Die erste feste Beziehung. Wie aufregend! Oder der erste Tag als Student. Ein neues Umfeld, mit dem man noch nicht vertraut ist. Später dann der Start in der Gemeinde – zunächst als Vikar, dann als Pfarrer. Das erste Mal im Talar. Ganz wichtig. Ganz unsicher. Ganz ungewohnt, aber doch schön. Noch mal von vorn anfangen. Neue Leute kennenlernen, neue Freundschaften schließen. Ganz neue Herausforderungen. Ein neuer Lebensrhythmus. Eine neue Lebenssituation - ohne Eltern, die fragen: „Wo gehst du hin? Wann kommst du nach Hause?“ Es gab und gibt so viele Anfänge im Leben. Sie sind oft mit Aufbruchstimmung, mit einer Mischung aus Aufregung und Begeisterung verbunden.
Aber es gibt auch die anderen Anfänge, die wir nicht selbst gewählt haben, die einfach geschehen – manchmal auch ungewollt. Die Kinder gehen aus dem Haus. Der Arbeitsplatz fällt weg. Ich muss mir einen neuen suchen. Aber wo? Ich kann nicht mehr länger alleine in meiner Wohnung, in meinem Haus bleiben, weil ich auf Hilfe angewiesen bin. Oder der Partner, die Partnerin hat einen verlassen. Was nun? Wie weiter? Wie wieder hochkommen? Eine Krankheit wirft mich aus der Bahn. Oder: Ein Mensch stirbt, der eine tragende Säule meines Lebens war. Wie soll es weitergehen ohne ihn? Unvorstellbar.
Ja, Anfänge sind oft auch Krisenzeiten. Sie machen etwas bewusst. Krise, das bedeutet, sich auch von etwas trennen, sich entscheiden, sich umorientieren zu müssen. Anfänge sind Wendepunkte im Leben. Manchmal wendet sich etwas zum Guten, manchmal zum weniger Guten. Das eine Mal geschieht es plötzlich, ein anderes Mal erst auf lange Sicht, wenn überhaupt. Und oft stelle ich fest, bei jedem Anfang, nehme ich mich eben auch mit meinen Stärken und Schwächen mit. Es bleibt oft ein Traum, sich neu erfinden zu können. Ich kann nicht aus meiner Haut raus.
Und Ostern? Ostern war auch so ein Wendepunkt in der Geschichte des Christentums. Ostern ist im Grunde der bedeutendste Anfang für uns Christen überhaupt. Und er begann ausgerechnet mit dem Tod. Jesus wurde gekreuzigt. Gerade er, der für viele Menschen DIE Hoffnung war. Die Hoffnungen zerbrachen auf Golgatha. Es schien das Ende zu sein. Niemand hätte damals dem Schild, das ich da vor kurzem im Schaufenster sah, auch nur einen Funken von Glauben geschenkt: „Der Anfang ist nah“. Zunächst jedoch: Ein leeres Grab. Und die Botschaft des Engels: „Er ist nicht hier. Er ist auferstanden. Der Anfang ist nah! Geht und erzählt es weiter.“
Am Freitag zuvor hatten sie ihn gekreuzigt. Am Freitag hatten sie ihn ins Grab gelegt und den Stein davor gerollt. Da war der Tod. Er lag wie ein Schatten über dem Leben - wie er über allem Leben zu liegen pflegt. So ist das im Leben: Zuerst jung sein, dann – hoffentlich - älter und alt werden, ein wenig glücklich sein und so oft auch unglücklich, ein bisschen Gutes tun und manchmal auch Böses, endlich und zuletzt aber sterben und zu Erde werden. Ja – Ostern fängt am Grab an, auf dem Friedhof. Ostern holt uns im wahren Leben ab. Und zum Leben gehört nun mal der Tod.
Was für eine Anfechtung, da gesagt zu bekommen: „Der Anfang ist nah!“ Und doch bricht sich diese Botschaft des Engels Bahn: „Der Anfang ist nah! Jesus ist auferstanden!“ Er hat das Nein, das der Tod in seinem Leben spricht, hinter sich gelassen. Er ist hinübergegangen in das ewige Leben. Wohl gemerkt: Er ist hinüber(!)-gegangen in das ewige Leben! Er ist nicht zurückgegangen! Nicht zurück in das Leben, aus dem er gekommen war. Nicht zurück dahin, wo es eben doch wieder nur Verrat und Hass, Krieg, Krankheit und Tod gibt. Er ist hinübergegangen in das ewige Leben.
Ewiges Leben bedeutet also nicht die Rückkehr der Toten in ihr vorheriges Leben. Ewiges Leben bedeutet, dass der Tod keine Macht mehr über unser Leben hat, bedeutet, dass wir unser Leben nicht mehr vom Tod bestimmen lassen. Dass wir nicht so leben, als wären wir tot. Ewiges Leben, Auferstehung, ist das Gegenteil. Es bedeutet den Aufstand des Lebens gegen den Tod, gegen alles das, was uns abtöten und uns den Lebensmut nehmen möchte. Ewiges Leben ist der Aufstand gegen die angebliche Allmacht des Todes. Es lässt nach Trauer und Tod wieder Hoffnung keimen und Sonne ins Herz einziehen. Und - ewiges Leben ist, weil es von Gott kommt und von ihm erhalten wird, unzerstörbares Menschenleben: ein Leben, das über sein natürliches Ende im Sterben hinaus Bestand hat. Das ist die Botschaft der Ostergeschichte: „Der Anfang ist nah!“
In Gottes Namen: Amen!
Pfr. Jens Födisch
Königsmark