28.03.2021
Das Wort zum Sonntag dem 28.03.2021
Ich liebe ihn. Mit all seinen Schrammen, dunklen Flecken und den wackligen Füßen ist er mir ans Herz gewachsen. Genau genommen seit 2003, denn da zog er damals in Halle bei mir ein. Opa Pony starb zuvor und ich „erbte“ den alten Wohnzimmertisch. Er diente mir als Küchentisch, wobei ich auch einige meiner Hausarbeiten an ihm geschrieben habe. Bis heute begleitet er mich und kennt mein Leben wohl in all seinen Höhen und Tiefen am besten. An ihm habe ich bereits als kleines Kind bei meinen Großeltern gesessen, Partys zu Studentenzeiten gefeiert und Heulkrämpfe wegen Liebeskummer oder in Prüfungsangst, während meiner Examenszeit durchlebt.
Ich liebe ihn, denn er erzählt vom Leben. Oft schreibe ich meine Predigten an diesem Tisch. Dann denke ich mitunter über die Menschen nach, die an ihm alle schon Platz genommen haben.
Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, an wie vielen Tischen Sie in Ihrem Leben bereits gesessen haben? Oder haben Sie vielleicht auch einen Lieblingstisch, mit dem Sie ganz besondere Erinnerungen verbinden?
Ein Tisch trägt die Spuren seines bewegten Lebens wie Falten und Narben. Menschen kommen an ihm zusammen, essen und trinken, lachen und weinen, spielen miteinander, streiten sich und teilen ihre Lebensgeschichten. Tische spiegeln unser menschliches Leben: Geborgenheit, gemeinsames Genießen, Freundschaft und Gemeinschaft, gegenseitige Hilfe.
Und es ist eine Wohltat fürs ganze Leben, wenn ich einen „gedeckten Tisch“ kenne, wo ich willkommen bin. Auch „im Angesicht meiner Feinde“, wie es in Psalm 23 heißt, und die können unterschiedlich aussehen: Überforderung, Angst oder Kummer, Krankheit, Trauer oder Feindschaft durch andere.
Was für ein Segen, wenn ich auch in solch Situationen bei Eltern, Großeltern, Verwandten, Freunden, Nachbarn, in der Gemeinde oder bei bisher fremden Menschen, ein offenes Ohr und Platz am Tisch finde.
Ein Tisch spiegelt unser menschliches Leben. Dazu fallen mir Sprüche ein: „Solange du die Füße unter meinen Tisch stellst...“ wettern manchmal wütende Eltern oder „Mit denen setze ich mich nicht mehr an einen Tisch“- heißt es dann, wenn die Familie, Nachbarschaft oder Freunde zerstritten sind. Es gibt auch unehrliche Zeitgenossen, die uns so manche Geschichte auftischen wollen. Oder eine Sache „muss dringend auf den Tisch“, damit wir „reinen Tisch machen können“. Ja, ein Tisch ist viel mehr als nur eine einfache Platte mit vier Beinen.
Die Bibel kennt auch viele Tischgeschichten. Am eindrücklichsten finde ich die Erzählungen von Jesu Mahlzeiten mit Sündern und Zöllnern- zum Entsetzen der Sitten- und Religionswächter. Doch Gott hat ein weites Herz! Alle Menschen haben Platz am Tisch mit ihm. Auch der verlorenste Sohn oder die Tochter, welche die Achtung vor sich selbst verloren hat. Selbst der Verräter Judas am Gründonnerstag.
Jesu Macht ist die Liebe und Achtung eines jeden ohne Ansehen der Person. Ihm geht es um das Dazugehören, damit hat er die Menschen gewonnen. Damals und heute.
Auch davon erzählt mein alter Küchentisch. Der Tisch war und ist gedeckt für Menschen, die seinen Lebensweg kreuzen! Und so schreibe ich gern in biblischer Tradition die guten Tischgeschichten einfach weiter und hoffe immer wieder auf Gottes Segen an unseren Tischen.
Pfarrerin Janette Obara aus Arneburg