14.08.2022
Das Wort zum Sonntag dem 14.08.2022

Glas und Glaube

Inzwischen dauert die Deutsche Einheit schon länger als die Mauer gestanden hat. Mit dem Mauerfall vor 33 Jahren eröffneten sich völlig neue Möglichkeiten, um die Altmark touristisch aufzuwerten. Ob aktiv Rad fahrend, reiten und wandern oder passiv Ruhe finden. Entspannung genießen bzw. Einsamkeit suchen – für alles und viel mehr ist die Altmark ein ideales Reiseziel. Über vieles wurde geredet, eben so viel wurde gedruckt. Ein wenig vernachlässigt in der öffentlichen Wahrnehmung ist der große Reichtum an Glasmalereien aus dem 19. Jahrhundert in altmärkischen Kirchen. Die bunten Glasfenster sind nicht nur eine Zierde der Kirchen, sondern auch Träger biblischer Botschaften. Diese Botschaften erreichen den Betrachter zu jeder Tageszeit. Die Fenster leuchten in der Morgensonne und schimmern still im Abendrot. Wer also möchte, kann sich auf eine Reise durch die Altmark begeben unter der Überschrift: „Gals und Glaube“. In Boock wird der Altarraum von drei Glasfenstern geprägt, die drei Personen darstellen. Der Evangelist Johannes, Christus und Petrus. Johannes lebte für die Verbreitung der Worte Jesu und Petrus steht für die Gefährdung und Schwachheit des Glaubens. In Bömenzien findet sich die berühmte Darstellung Jesu nach dem Entwurf eines dänischen Bildhauers. Das Original befindet sich in Kopenhagen. Dem Betrachter kommt Jesu in dieser Darstellung als Segnender und Einladender entgegen. In Könnigde erblickt der Besucher zwei herrschaftliche Wappenscheiben und Darstellungen der vier Evangelisten. In dem Bildprogramm geht es um Patronatsrechte und -pflichten in christlicher Verantwortung. Wer in der Kirche in Lindenberg eintritt wird drei Glasfenster entdecken, die drei Kirchenjahresfeste zum Inhalt haben. Da kann man die Hirtenanbetung der Weihnachtsgeschichte ansehen und Bilder von Ostern und Pfingsten. An diesen drei wichtigen Festen im Kirchenjahr stehen sicher die Kirchentüren offen. Ein Höhepunkt auf der reise zu „Glas und Glaube“ bildet die Kirche in Wittenmoor. Der Innenraum überwältigt manch ahnungslosen Besucher in seiner Gesamtwirkung. Wieder finden sich Bilder der drei großen Feste Weihnachten, Ostern und Pfingsten. Das Besondere daran ist, dass diese Festgeschichten mit den Lebensgeschichten der Stifter verbunden sind. Von Wittenmoor ist es nicht weit nach Vollenschier. Dort in dieser einzigartigen Kirche der Altmark – einem Dom auf dem Lande – führen die dortigen Glasmalereien in die frühe christliche Symbolik. Der Betrachter findet Löwe, Pelikan und Phönix in Verbindung mit den Symbolen von Engel, Löwe, Stier und Adler für die vier Evangelisten, die Jesu Botschaft aufgeschrieben haben. Zwischen den beiden Kirchen in Wittenmoor und Vollenschier gibt es im Bildprogramm zahlreiche Parallelen, die auf die Verbindung der beiden Gutskirchen zurück gehen. Dieser winzige Ausschnitt ist ein Streiflicht auf den großen Reichtum an Glasmalereien aus dem 19. Jahrhundert in der Altmark. Bedeutende Firmen in Berlin, Heidelberg, Quedlinburg, Hannover, München und Saarbrücken haben hier Aufträge bekommen und in hoher Qualität ausgeführt. Sie haben Werke hinterlassen, die vielen altmärkische Kirchen zu zeugen der Welt von „Glas und Glaube“ werden ließen. Eine gute Reise wünscht

Pfarrer Norbert Lazay, Gladigau