24.12.2020
Heiligabend 2020

Freue dich und sei fröhlich, du Tochter Zion! Denn siehe, ich komme und will bei dir wohnen, spricht der HERR.

Sach 2:14

Liebe Leser in dieser außergewöhnlichen Weihnachtszeit,

vor ein paar Tagen las ich in einem Nachrichten-Block in meinem Handy die Worte „Wenn wir die Hygienemaßnahmen befolgen, dann ist Weihnachten vielleicht doch noch zu retten!“.

Ich traute meinen Augen nicht. „Das ist wirklich dreist“, dachte ich. Seit wann bedarf Weihnachten der Rettung? Singen wir nicht jedes Jahr um diese Zeit auf’s Neue: „Christ, der Retter(!!!), ist da“?

Wenn wir wirklich glauben, was wir da mit dem Weihnachtslied „Stille Nacht, heilige Nacht“ singen, dann können und müssen wir Weihnachten nicht „retten“. Nicht Weihnachten will gerettet sein. Vielmehr kommt der, dessen Geburt wir da feiern, um uns(!) zu retten. Wir sind angewiesen auf IHN und nicht umgekehrt. Gerade in diesen Zeiten erfahren wir wieder besonders, wie ohnmächtig wir doch sind.

Unser Retter kommt als Kind, schwach und klein. Gott bedient sich des Kleinen, des unscheinbaren, um sein Reich aufzurichten. Die ganze Heilige Schrift erzählt davon. Und erst recht die Weihnachtsgeschichte. Da ist nichts anheimelnd und heil. Maria war unehelich schwanger – was zur damaligen Zeit beinahe einem Todesurteil gleichkam (leider Gottes mancherorts auch noch in unserer Zeit). Das Kind wurde in großer Armut geboren. Ohne Obdach standen sie da. Das hatten sie sich sicherlich anders vorgestellt.

Auch wir haben uns Weihnachten in diesem Jahr anders vorgestellt: mit Weihnachtsmärkten, Weihnachtsfeiern mit den Kollegen, mit Freunden oder auch im Seniorenkreis, mit gegenseitigen Besuchen, Reisen, Weihnachtskonzerten und Christvespern in vollen Kirchen. Aber es ist anders gekommen. Die Vorsicht und die Rücksichtnahme erfordern Einschränkungen.

Genau da will Gott Wohnung nehmen; da, wo die Einschränkung zu Hause ist. Wo nichts so ist, wie es sein sollte – oder besser: wie wir es haben wollen. Davon erzählt die Weihnachtsgeschichte. Gott ist dort, wo nicht aus dem Vollen geschöpft werden kann, wo Dinge auf der Strecke geblieben, wo Menschen in Sorge und Angst sind.

Gott hat entschieden, sein Reich zu bauen mit dem, was nach unseren menschlichen Maßstäben gemessen nicht perfekt ist. Und genau das ist unsere Rettung, denn jetzt wissen wir: Auch wir müssen nicht perfekt sein.

Das ist das eigentliche Weihnachtsgeschenk an uns. Alles andere ist schmückendes Beiwerk – und trotzdem schön. Ja auch ich mag gelegentlich Weihnachtsmärkte und Weihnachtsfeiern, wenn sie nicht zu laut und zu schrill sind. Ich würde mich – gerade in dieser festlichen Zeit – gerne mit Freunden auf ein Glas Glühwein in geselliger Runde treffen und das ein oder andere Weihnachtskonzert besuchen. Aber das alles geht nun nicht, weil wir Rücksicht aufeinander nehmen, weil wir uns gegenseitig vor einer Infektion bewahren und retten müssen.

Nur Weihnachten, das muß nicht gerettet werden, denn Gott kommt auch so zu uns. Darauf dürfen wir hoffen. Und deshalb: Ihnen allen ein gesegnetes Christfest.

Jens Födisch

(Pfarrer im Pfarrbereich Königsmark)