04.09.2021
Das Wort zum Sonntag dem 04.09.2021
Gute Stube oder kalte Pracht
Vor einiger zeit führe mich mein Weg in eine von mir noch nicht besuchte Kirche. Die Tür war angelehnt und ich nutzte die Gunst der Stunde, die Kirche zu betreten. Auf den ersten Blick konnte ich erkennen, dass hier lange nichts stattgefunden hat. Beim Gang von der Tür in den Altarraum viel mir Verschiedenes auf. Auf der letzten Bank lagen uralte Gesangsbücher, die seit Jahrzenten niemand mehr benutzt hatte. Dazu kamen einige vergilbte Zettel, ein Karton mit Wachsreste und eingestaubte alte Sitzkissen oder so etwas ähnliches. Tote Fliegen und andere tierische Hinterlassenschaften waren unübersehbar. Das Altarkreuz war kunstvoll von einem Spinnennetz überwoben und die Kerzenstummel dunkelgelb-glasig…. Ich kam mir vor, wie in einer Räuberhöle. Warum die Kirche offen war? Ganz einfach – im Turmraum waren die Gießkannen und Hacken untergebracht.
In einer anderen Kirche war alles ziemlich aufgeräumt und reinlich. Auf dem Altar lag eine durchsichtige Folie, darauf standen Leuchter mit ordentlich abgeschnittenen Kerzen. Vasen fanden sich nicht, aber auch keine uralten Gesangsbücher. Es roch ein wenig altertümlich, vielleicht vom Linolium unter der Empore. Einige Spendentütchen „Brot für die Welt“ lagen hier und da, wahrscheinlich noch von Weihnachten. Bald sollte es wieder Weihnachten werden. Alles in allem fiel mir hier das Wort von der kalten Pracht ein.
Es gibt auch andere Kirchen in der Altmark – und gar nicht mal so wenige – die strahlen Wärme aus. In denen kann man sich schnell heimisch fühlen. Es sind Kirchen, denen man anmerkt, dass sie gebraucht werden. Kirchen, die bis auf den heutigen Tag ihrem Erbauungszweck treu geblieben sind. Im 19. Jahrhundert wurde gern von den altmärkischen Dorfkirchen gesagt, sie seinen Schutz- und Trutzburgen für Leib und Seele. Von Ferne hört man bei dieser Beschreibung das Lutherlied von der „festen Burg“ klingen. Ein späterer altmärkischer Landpastor hat von den Dorfkirchen gesagt, sie sind die guten Stuben für die Seele.
Beinahe jedes Dorf hat eine Kirche, die eine gute Stube für Ihre Bewohner seine kann. Damit ist ein Ort gemeint, der die Seele still werden lässt und in dem sich das Herz erwärmen kann. Ein Ort, der das Gemüt erfreut und die tätigen Hände ausruhen lässt. Wo sich solch eine Ort findet, heißt es bestimmt: Immer rein in die gute Stube!
Einen schönen Sonntag wünscht Ihnen
Pastor Norbert Lazay aus Gladigau